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Überraschende Entdeckungen im Museum Raffael Becker
Gegenüber der Kleingartenanlage Kletterrose e. V. in der Gleueler Straße 373a gibt es etwas zu entdecken. Zum 100. Geburtstag des Sülzer Künstlers Raffael Becker vor zwei Jahren haben dessen Tochter Raphaele Berglar mit ihrem Mann Johannes Berglar ein Museum für das umfangreiche Werk ihres Vaters eröffnet. Wer Lust hat, mehr über Sülz und seine Menschen, Feste und Begebenheiten zu erfahren, wird in diesem Museum fündig. Der Platz für das Gebäude ist für das Viertel geschichtsträchtig: Schließlich war genau hier Anfang des 20. Jahrhunderts unweit der Decksteiner Mühle ein Vergnügungspark mit Aussichtsturm.
Ganz bestimmt hatte Raffael Becker von diesem Park gehört. Der 1922 geborene Sülzer stammte aus einer Künstlerfamilie. Großvater und Vater waren Kunstmaler. Er selbst lernte Dekorationsmaler und besuchte die Werbefachschule. Das Studium der freien Malerei bei Prof. Junghans an der Düsseldorfer Kunstakademie wurde durch den Zweiten Weltkrieg 1941 unterbrochen. Raffael Becker wurde zum Militär nach Frankreich und Norwegen eingezogen. Nach Ende des Krieges richtete er sich notdürftig in der zerbombten elterlichen Wohnung in der Gustavstraße 41 ein. Später zog die Familie in das Haus 54. Er verfolgte sein eigentliches Ziel, Künstler zu werden. Die Kriegserfahrung verfestigte seine Ablehnung alles Militärischen, was sich in seinem Werk widerspiegelt.
Von der Werbung zur Kunst
Raffael Becker verdiente seinen Lebensunterhalt durch Werbegrafik und ‑malerei und setzte sich intensiv mit der modernen Malerei auseinander. Einflüsse von Otto Dix und George Grosz sind deutlich in seinem Stil zu finden. Doch er versuchte sich auch an Kubismus und Expressionismus. Raffael Becker wurde zum malenden Reporter des Viertels. Er war ein echter Kölner, der sich in seiner Stadt und besonders in Sülz zu Hause fühlte. In seinen Bildern fing er Begebenheiten und Feste ein, oft kritisch, satirisch. Sei es der Karneval, Kirchenfeste, der Boxer Peter Müller, genannt de Aap, die vielen Viertelskneipen, die es an fast jeder Straßenecke von Sülz gab, das Leben in den Straßen, zu dem auch Gewalt und Kriminalität gehörten, der Karneval und der 1. FC Köln. Viele Bilder spiegeln in ihrer Farbenpracht die Geschichte von Sülz wider. Überall ist Lebenslust zu spüren, verständlich nach den Kriegserlebnissen. In den 1960er-Jahren entschloss sich Raffael Becker, sich auf sein künstlerisches Werk zu konzentrieren. Ausstellungen seiner Werke fanden unter anderem im Stadtmuseum statt; die Kölner Bank kaufte unter anderem ein Dom-Triptychon und finanzierte Veröffentlichungen. Eine Besonderheit an Raffael Beckers Werk ist, dass er selbst sein größter Sammler war.
Besondere Rahmen und detailgetreue Zeichnungen
Auf den ersten Blick beeindrucken bereits die kunstvollen Rahmen, häufig mit Blattgold belegt und aufwendig verziert, in die Becker seine Bilder gegeben hat. Auf Flohmärkten und Plätzen sammelte er diese und restaurierte sie selbst. In seinen Bildern nutzte Becker ebenfalls Blattgold, um die Farben strahlen zu lassen, und bezog sich damit zugleich auf die Kölner Kunst des Mittelalters, unter anderem auf Stefan Lochner. Sein Vorname steht in der Familientradition, da sein Großvater den Renaissancemaler Raffaello Santi, genannt Raffael, verehrte und bereits seinen Sohn nach ihm benannt hatte. Wer noch mehr über die Gemälde erfahren möchte, kann sich neben einer Führung über QR-Codes an einigen Werken die Erläuterungen von Raffael Becker auf dem Smartphone anhören. Die Aufnahmen wurden im Rahmen einer Katalogpublikation im Jahr 1993 gemacht und für das Museum digitalisiert.
Einladung zum Betrachten
Nicht nur Menschen aus unserem Viertel sind eingeladen, sich in diesem umfangreichen Museum mit Raffael Becker zu beschäftigen. Die Museumsleitung ist in Verbindung mit dem Museumsdienst Köln und bietet Führungen an. Diese eignen sich auch für Kinder, die in den Gemälden viel entdecken und sich mit der Kunst des Rahmens beschäftigen können. Außerdem macht das Museum Raffael Beckers Atelier öffentlich. Zu sehen sind seine Staffelei, Farben, Materialien, Möbel und Gegenstände aus seiner Wohnung sowie Zeichnungen von
Autos von Unternehmen, für die er Werbung gestaltet hat und die neben seiner Kunst zu seinen Leidenschaften gehörten. Das Museum verfügt zudem über die Sammlung von kunsthandwerklichen Objekten wie Schmuck, Textilien und eine historische Puppensammlung von Beckers Ehefrau lnge, die als Lehrerin für textiles Gestalten und Werken arbeitete.
Danach Kaffee und Kuchen im Mühlenpavillon
Voller Eindrücke genießen wir gleich nach der Führung mit dem Kunsthistoriker des Museums, Dr. Sascha Klein, einen Kaffee mit Kuchen im Mühlenpavillon gleich neben dem Museum. Die Konditorin Ingrid Schneider hat hier eine Oase nicht nur für Kunstliebende gegründet, die Besucher*innen auf keinen Fall verpassen sollten.
INFOS:Museum Raffael Becker, Gleueler Straße 373a, 50935 Köln
Öffnungszeiten: Montag, Dienstag und Donnerstag, 11–19 Uhr,
Öffnungszeiten ab 01.10.2024: dienstags, mittwochs, donnerstags, sonntags, 11–17 Uhr
auch feiertags an den genannten Wochentagen
Eintritt: 7 Euro, Ermäßigt: 3,50 Euro (Schüler*innen, Studierende, Auszubildende)
www.museum-raffael-becker.de
09.2024 // Redaktion: Hanka Meves-Fricke, Fotos: Sonja Hoffmann, Museum Raffael Becker