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Requiem für eine sterbende Welt – „Fighters for Future“ am Casamax Theater
Das Casamax trägt Schwarz: Am Bühneneingang werden die Gäste mit dezentem Ton zu einer Trauerfeier begrüßt. Beerdigt werden soll Mutter Erde, deren blasses Portrait mit einem Trauerflor versehen auf einem Altar steht. Der Tod des Planeten würde ebenso den Untergang aller Arten nach sich ziehen. Doch die Diagnose erweist sich als vorschnell, denn noch keimt Leben im und auf dem Globus.
„Mit Fighters for Future“ geht die Spielstätte über 60 Minuten den denkbar unbequemsten Weg, um auf die voranschreitende Umwelt- sowie Selbstzerstörung des Menschen aufmerksam zu machen, denn die Inszenierung von Regisseurin Isabella Kolb und Dramaturgin Kathi Rettich enttarnt Egoismen, Lügen, Machtkalkül und falsche Hoffnungen mit Ernsthaftigkeit und Satire. Dabei werden neben den Entscheidungsträger*innen aus Politik und Wirtschaft auch die vermeintlich hilflosen Bürger*innen nicht geschont. Mit deren kleinen „Alltagssünden“ wie etwa billige Kurzstreckenflüge, dem Hang zur Wegwerfgesellschaft sowie einer beeindruckenden Passivität in Bezug auf die zögerlichen Handlungen des Staates zur Erreichung von Klimazielen richten sich die Anklagen der „Zukunftskämpfer*innen“ auch an die Erwachsenen ohne Bundestagsmandat. Deren Handlungsunfähigkeit lässt nur eines zu: Die jungen Menschen müssen die Initiative selbst in die Hand nehmen, um die Grundlagen des Lebens für sich und folgende Generationen zu schützen.
Als wahre Wohltat erweist sich, dass Kolb und Rettich auf beschwichtigendes Blah-Blah oder Schuldzuweisungen im Kreis verzichten, um direkt auf den Punkt kommen: Wir reden uns nicht nur um den Verstand sondern auch um das Dasein. Vorhaben alleine reichen nicht. Schlafwandelnden Parlamentarier*innen muss als Möglichkeit des Widerstandes in einer Demokratie mit Lautstärke und auch zivilem Ungehorsam begegnet werden können, etwa durch Straßen- oder Platz-Blockaden sowie einer Brachialität, zu der die Sprache fähig ist. Die Theatermacherinnen bestärken den Unmut im Angesicht eines blinden autoritären Gehorsams als legitime Ausdrucksform von Kindern und Jugendlichen, die um ihre nackte Existenz fürchten. In dieser Direktheit des Protests setzt „Fighters for Future“ ein mehr als angebrachtes dramatisches Ausrufezeichen. Kolbe und Rettich instrumentalisieren das junge Publikum dabei nicht für extreme Sichtweisen, sondern sprechen durch ihr dynamisches Ensemble um Enya Becirevic, Jonas Becker und Mo Schluchter lediglich Klartext. Hier wird Aufklärung im Einvernehmen mit den Grundrechten betrieben.
Dass diese für die Zielgruppe ab acht Jahren reflektierbar sind, beweisen Aufsätze von Grundschüler*innen zur Produktion, die im Vorfeld der ersten Aufführung den Proben beiwohnten und im Aufenthaltsraum des Theaters nachlesbar sind. Die Zeilen zeugen von den Sorgen und den Wünschen nach Mitspracherecht bei der Verplanung ihrer Zukunft. Ein Stück wie ein Schrei.
Termine: 11. Oktober 10.30 Uhr, 12. Oktober 16.00 Uhr, 18. November 10.30 Uhr, 28./29. November 10.00 Uhr, 30. November 16.00 Uhr, Kartenvorbestellung unter Telefon: 0221 44 76 61
www.casamax-theater.de
10.2024 // Redaktion: Thomas Dahl, Fotos: Patric Prager