- LEUTE
„Wir müssen den Journalismus auf neue Ebenen tragen“
INsülz & klettenberg im Gespräch mit Journalist, Buchautor und Dozent Professor Dr. Frank Überall
Frank Überall ist einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands, der seine Leidenschaft für den Beruf bereits als Schüler entdeckte. An seinem Lieblingskiosk an der Ecke Luxemburger Straße/Siebengebirgsallee traf sich der vielbeschäftigte Medienvertreter mit INsülz & klettenberg auf einen Kaffee zum Plaudern.
INsülz: Frank, in der Öffentlichkeit bist du als Journalist für Print‑, Rundfunk- und TV-Medien bekannt. Du trittst zudem regelmäßig als Buchautor in Erscheinung und hältst eine Professur an der Kölner Hochschule Media University inne. Acht Jahre lang warst du darüber hinaus Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes und somit nationaler Interessensvertreter für unzählige Kolleg*innen. Du bist sozusagen auf allen Kanälen präsent. Was macht Frank Überall zwischen den Terminen, etwa, wenn er zuhause in Sülz ist?
Frank Überall: Da dürfen wir Klettenberg auf keinen Fall vergessen. Als ich vor rund zehn Jahren aus Porz zunächst auf die Siebengebirgsallee zog, bin ich schnurstracks auf einen Kaffee zum Kiosk gegangen und habe den Besitzer kennengelernt. Hossein hat mir mit dem Getränk direkt noch eine Handvoll Datteln gereicht. Das fand ich sehr herzlich. Mit der Zeit wurden wir Freunde. Mittlerweile lebe ich nebenan in Sülz, aber ich komme immer noch regelmäßig zu diesem Kiosk. Hier trifft man jede Menge interessante Leute. Das liebe ich so an diesem Stadtteil. Er ist extrem urban aber auch dörflich.
INsülz: Ist dir eigentlich das Wort „Freizeit“ geläufig?
Frank Überall: Das Problem ist, dass ich in weiten Teilen ein absoluter Workaholic bin. Ich mache meine Jobs mit Leidenschaft. Zur Freizeit muss man mich quasi zwingen. Ich lese aber sehr gerne.
INsülz: Ich weiß aus früheren Gesprächen, dass du dich schon als junger Mensch für den Beruf des Journalisten interessiert hast. Unter anderem hast du für die Schülerzeitung an deiner alten Schule in Volkhoven-Weiler geschrieben. Du hast deinen Weg konsequent verfolgt. Würdest du den Job nach wie vor jungen Menschen empfehlen?
Frank Überall: Absolut. Journalist ist einer der schönsten Berufe der Welt. Man sollte ihn aber tatsächlich nur ausüben, wenn man dafür brennt.
INsülz: Was hat sich an den Rahmenbedingungen verändert?
Frank Überall: Früher mussten wir unseren Job nicht erklären, heute schon. Menschen fragen, ob die Regierung uns die Berichte vorschreibt. Wir müssen intensiver auf die Leute eingehen. Das ist auch vollkommen okay, aber nicht alle fragen freundlich. Um viel Geld zu verdienen, ist der Job vermutlich nicht geeignet. Wer das anstrebt, sollte sich etwas anderes suchen. Ich möchte nicht reich werden sondern glücklich, und in meinem Beruf bin ich das.
INsülz: Was treibt dich an?
Frank Überall: Gerade im Zeitalter von „Fake-News“ hat der Wert von Fakten eine hohe Bedeutung und die Journalist*innen tragen nach wie vor eine große Verantwortung, diese Wirklichkeit zu vermitteln. Wir müssen den Journalismus auf neue Ebenen tragen, um die Menschen zu erreichen. Ein Beispiel dafür sind die Kolleg*innen von CORRECTIV. Deren Recherchen zum Plan einer systematischen Vertreibung von Bürger*innen wurden für eine szenische Bühnen-Lesung am Berliner Ensemble zur Verfügung gestellt und halfen, die angedachte Vertreibung von Millionen Menschen publik zu machen. Es geht auch darum, gänzlich neue Wege zu beschreiten, um junge Leute zu erreichen, etwa News-Games, also Computerspiele, die in einer Umgebung angelegt sind, die aktuelle Themen widerspiegeln.
INsülz: Du bist auch ein gefragter Referent und Interviewgast an Schulen. Was wollen die Jugendlichen von dir wissen?
Frank Überall: Das ist ganz unterschiedlich. Sie wollen wissen, wie der Alltag als Journalist aussieht und warum man den Journalismus eigentlich braucht – man habe doch die sozialen Netzwerke. Ich argumentiere dann mit der Vielfalt unabhängiger Informationen.
INsülz: Apropos „Vielfalt“, warum gibt es nicht mehr unabhängige Verlage, beispielsweise in Köln?
Frank Überall: Dazu muss man ersteinmal festhalten, dass es schwierig ist, mit dem Journalismus Geld zu verdienen. Aber wir haben in Köln die ehrwürdige Stadt-Revue und das Online-Magazin Report‑K. Geld ist immer noch der Angelpunkt. Man kann professionellen Journalismus nicht umsonst machen.
INsülz: Würdest du sagen, es ist notwendig, möglichst facettenreich aufzutreten, um als Journalist zu existieren?
Frank Überall: Na ja, es braucht natürlich nicht nur Rampensäue, die sich keine Bühne entgehen lassen. Ich war in den letzten Jahren permanent unterwegs. Aber ich mag das. Im März startet im Klüngelpütz-Theater übrigens meine neue Talkreihe, in der Menschen aus der Stadtgesellschaft vorgestellt werden, die für den Gedanken der Gemeinschaft stehen. Leider darf ich noch keine Namen nennen, aber es wird sicherlich hochinteressant. Wir haben bis zum Sommer drei Veranstaltungen geplant.
Aber um zurück auf deine Frage zu kommen, so eine Vielfältigkeit ist eher als Freiberufler möglich. Ab dem ersten März kommt es da auch bei mir zu einer Neustruktur. Dann beginne ich eine Tätigkeit als Chefreporter für die Kölnische Rundschau. Die Prioritäten ändern sich also.
INsülz: In welchem Bereich wirst du dort arbeiten?
Frank Überall: Ich bin natürlich ein politischer Mensch und somit ein politischer Journalist, werde mich aber auch mit Wirtschafts- und anderen Themen befassen.
INsülz: Ich kann dir eine inflationäre Frage nicht ersparen, da sie immer wieder aussagekräftige Antworten hervorbringt. Welche noch lebende Person würde Frank Überall gerne mal interviewen?
Frank Überall: Wolfgang Niedecken. Ich war total überrascht, dass er mich Jahre nach einem Treffen noch wiedererkannt hat. Er ist für mich ein Phänomen, der mit seiner Musik mein Leben geprägt hat. Ja, definitiv Wolfgang Niedecken.
INsülz: Du weißt, wir Leser*innen lieben Zahlen. Was war in letzter Zeit dein bestgeklickter Beitrag?
Frank Überall: Tatsächlich die Denkmal-Enthüllung für Hans Süper mit über 25.000 Klicks bei kivvon.com (Medienplattform, für die Frank Überall als Chefreporter tätig war, Anm. d. Verf.). Da habe ich echt einen Nerv getroffen. (Link zum Bericht: https://www.youtube.com/watch?v=VPUquYIoEnc)
INsülz: Kommen wir zu deinem aktuellen Buch. Wie sind die Resonanzen auf „Deadline für den Journalismus“?
Frank Überall: Ich bin sehr zufrieden und hatte viele gut besuchte Veranstaltungen dazu. Der Trierische Volksfreund hat gleich auf einer ganzen Seite darüber berichtet. Mir ist klar, dass viele Leute denken, „Oh Gott, noch einer der über Journalismus schreibt“, aber die meisten scheinen sich darauf einzulassen. Mehrere Landeszentralen für politische Bildung haben eine Sonderauflage des Buches herausgegeben.
INsülz: Nach dem Schreiben ist vor dem Schreiben. Arbeitest du schon an einem neuen Werk?
Frank Überall: Das letzte Buch war gar nicht vorgesehen, da ich gerade meinen Job bei kivvon angefangen hatte. Jetzt bin ich wieder in der gleichen Situation. Damals war die Zusammenarbeit mit dem Verlags-Lektor Alexander Behrens grandios. Wir sind in Kontakt geblieben und nun steht wieder ein Projekt an. Es gibt erste Ideen, aber die sind in einem solch frühen Stadium, dass ich noch nicht darüber reden möchte.
INsülz: Letzte Frage. Wie sollte man niemals in einen journalistischen Beitrag einsteigen?
Frank Überall: Man sollte nie die TV- oder Radio-Live-Schalte mit „Ich stehe hier …“ beginnen und niemals enden mit „ … bleibt abzuwarten.“
Buchdaten: „Deadline für den Journalismus – Wie wir es schaffen, nicht zur Desinformationsgesellschaft zu werden“, Frank Überall, Dietz-Verlag, 2024, 224 Seiten, 22 Euro, ISBN 978–3‑8012–7063‑6
02.2025 // Redaktion: Thomas Dahl, Fotos: Monika Nonnenmacher