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Grievy: Vom Start-up zum „Marktführer in der Trauerbegleitung“ – Digitale Angebote für einen sensiblen Lebensabschnitt
Digitale Kurse zu verschiedenen Themen, um Trauer zu bewältigen, ein digitales Trauertagebuch, eine App, die täglich Kontakt aufnimmt, Trauergruppen, individuelle Trauerbegleitung per Videotelefonie, Geschichten von Betroffenen: Das alles und vieles mehr bietet Grievy – ein junges Unternehmen mit einem Angebot zur umfassenden individuellen Trauerbegleitung, das sich auf der Erfolgsspur befindet.
Wir treffen Nele Stadtbäumer und Aenis Chebil im Innodom im Weyertal, wo sie seit ihrer Start-up-Zeit arbeiten und für Grievy mittlerweile Büroplätze gemietet haben. Mitgründer Daniel Bachmann ist gerade im Urlaub. Die drei haben sich an der Fachhochschule in Aachen kennengelernt, als die promovierte Psychologin Nele Stadtbäumer Mitstreiter*innen suchte, die sich mit Wirtschaft und Informatik auskennen, um ihre Idee einer digitalen Trauerbegleitung umzusetzen.
Modernes Angebot für Menschen jenseits von Religion
Die heute 30-Jährige hat mit 24 Jahren ganz plötzlich ihren Vater verloren. So lernte sie die Bestattungsbranche kennen und fühlte sich dort sehr allein gelassen, weil es fast keine nichtkirchlichen Angebote für jüngere Leute gab. „Ich wollte diesem Mangel an modernen Angeboten für Trauernde abhelfen, denn die Trauer ist immer noch ein großes Tabu. Aber gerade in dieser Zeit braucht man den Austausch mit anderen Betroffenen, die nachvollziehen können, wie man sich fühlt“, erläutert sie ihre Motivation für die Gründung von Grievy. Aenis Chebil und Daniel Bachmann (beide 24 Jahre alt und Wirtschaftsinformatiker) gefiel es, in einem Uni-Projekt an etwas zu arbeiten, das praktisch umgesetzt wird. „Ich fand schon damals, dass Neles Idee einen Mehrwert hat, und konnte mir vorstellen, wie es Trauernden geht, weil ich den Tod meiner Großeltern erlebt habe“, so Chebil. Sie wollten gemeinsam etwas entwickeln, das jenseits von Religion allen Menschen, die trauern, hilfreich zur Seite steht.
Alle drei zusammen gründeten dann „Grievy: Dein Trauer Safe Space“. Grievy kommt vom englischen „to grieve = trauern“. „Der Name sollte einen eigenen liebevollen, aber auch international klingenden Namen haben“, so Nele Stadtbäumer, denn von Beginn an war es der Plan, sich über Deutschland hinaus zu engagieren. 2022 war es dann nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit so weit: Der Launch der digitalen Trauerbegleitungs-App markierte den Start einer Erfolgsgeschichte.
Nicht mehr nur App, sondern vielfältiges Angebot
Heute ist Grievy „ein modulares System“, beschreibt Nele Stadtbäumer die Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee. Auf der digitalen Plattform kann man sich das heraussuchen, was für die unterschiedlichen Bedürfnisse passt. Das können Kurse sein, die die Angst vor der Trauerfeier bekämpfen, das Gedankenkarussell stoppen oder den Gefühlscocktail auflösen – was Trauernden oft so zu schaffen macht. Insgesamt 150 Kurse wurden gemeinsam mit Psychotherapeut*innen entwickelt. Dazu kommen SOS-Übungen gegen Angst, innere Unruhe und Ähnliches, Videos, Texte und Audios. Außerdem schickt die App regelmäßig Nachfragen zum Befinden und zum Tagesablauf sowie einen täglichen Impuls an die Trauernden. So fühlen sie sich gerade in den Zeiten, in denen sie allein zu Hause sind, gehört und nicht alleingelassen. Hinzu kommen das Trauertagebuch, persönliche Geschichten von Betroffenen sowie das Angebot persönlicher Trauerberatung durch erfahrene Berater*innen in den verschiedenen Regionen.
Dabei gilt es natürlich, auf vieles zu achten: So ist es eine große Herausforderung, die Trauerbegleitung interaktiv zu gestalten, um wirklich das Gefühl zu vermitteln, an die Hand genommen zu werden. Außerdem wird viel Wert darauf gelegt, dass alle Angebote psychologisch fundiert sind. So wird eine sanfte Sprache verwendet und die Kurse bauen sich langsam auf, um die Trauernden nicht zu überfordern.
Hinzu kommen Trauergruppen, die zum Teil per Videotelefonie laufen, und analoge Events wie zum Beispiel „Trauer op Kölsch“, das einmal im Jahr in Hellers Brauhaus in Köln stattfindet. „Sehr wichtig ist auch die WhatsApp-Gruppe“, so die Psychologin, „denn der Austausch unter den Trauernden ist sehr intensiv und berührend. Ebenso von großer Bedeutung sind die persönlichen Geschichten, die über Instagram zu uns kommen und anonym veröffentlicht werden. Wir betreuen mit unserem gesamten vielfältigen Angebot mittlerweile alle Altersgruppen – vom Teenie bis 80+. Manche von ihnen begleiten wir jetzt schon Jahre, andere nur kurz und intensiv.“
Noch viel vor!
Seit zwei Jahren generiert das ehemalige Start-up Umsatz und ist eine GmbH. Das Team ist auf acht Mitarbeiterinnen angewachsen. Mittlerweile hat sich der „Marktführer in der Trauerbegleitung“, so Nele Stadtbäumer, in der gesamten DACH-Region ausgebreitet. Der Zugang zu den Trauernden läuft über Partnerinnen aus der Bestattungsbranche und Hospizen, die für die Mitgliedschaft bei Grievy bezahlen, weil sie in dem vielfältigen Angebot eine sinnvolle Ergänzung zu ihrem Portfolio sehen. Ihre Kund*innen bekommen dann einen kostenlosen Zugang zu allen Angeboten von Grievy.
„Wir wollen unser Angebot international ausbauen, also auch in mehrere Sprachen übersetzen lassen, damit wir möglichst viele Menschen auf der Welt unterstützen können in ihrer Trauerphase“, so die Gründerin und führt weiter aus: „Wir sind motiviert, für Menschen in einer schweren Phase etwas positiv bewegen zu können, und der Tenor der Rückmeldungen ist: Gut, dass es euch gibt.“ Gerade sind sie dabei, herauszufinden, wo sie neue Märkte finden können. Denn Stadtbäumer betont, dass sie nur dann viel bewegen können, wenn das Ganze sich wirtschaftlich lohnt. Damit das so bleibt, bringen die Gründer*innen unterschiedliche Kompetenzen mit, so Stadtbäumer: „Daniel ist der kompetente Entwickler, akribisch und analytisch. Aenis schaut kenntnisreich und sachlich auf die Finanzen und die Wirtschaftlichkeit. Ich selbst bin lösungsorientiert und sehr empathisch und mache viel Beziehungsarbeit.“ Das klingt nach gelungenem Teamwork für eine innovative Idee – und die bisherigen Erfolge von Grievy bestätigen das.
05.2025 // Redaktion: Dorothee Mennicken, Fotos: Monika Nonnenmacher