Zum Schmun­zeln ins Museum gehen – kos­ten­lose Füh­rungen im Museum Raf­fael Becker

Im schönen Lin­den­thal gibt es mit dem Museum Raf­fael Becker einen echten Geheim­tipp zu ent­de­cken: Auf drei Etagen erwartet die Besu­che­rinnen und Besu­cher eine erstaun­liche Samm­lung an far­ben­frohen Gemälden, die auf humor­volle Weise das Leben der Men­schen in Köln von der Nach­kriegs­zeit bis nach der Jahr­tau­send­wende zeigen. Da Raf­fael Becker sein Ate­lier zeit­le­bens in Köln-Sülz hatte, werden Köl­ne­rinnen und Kölner auch einige Stra­ßen­züge wie­der­erkennen.

Kölns jüngstes Museum und sein unge­wöhn­lichstes

„Bitte klin­geln“, steht am Ein­gangs­schild des Museums Raf­fael Becker. Hier wird den Besu­che­rinnen und Besu­chern per­sön­lich die Tür geöffnet und sie bekommen erst einmal ein Glas Wasser ange­boten. Auch „Kamelle“ liegen im Museum für die Gäste aus – schließ­lich war Raf­fael Becker Rhein­länder mit Leib und Seele, der den Kar­neval, den Zirkus und den Trubel liebte. Wäre er nicht Künstler geworden, sagte der 2013 ver­stor­bene Raf­fael Becker stets, dann wäre er Zir­kus­domp­teur geworden. Pas­send dazu zeigt ihn ein Selbst­por­trät aus dem Jahre 1993 mit dem Kopf im geöff­neten Maul eines Tigers.

Die Eröff­nung des Museums im Jahre 2022 posthum zum 100. Geburtstag des Künst­lers geht auf Initia­tive seiner Nach­kommen zurück. Als 2020 auch Raf­fael Beckers Ehe­frau Inge­borg ver­storben war, galt es, einen Nach­lass von 300 Gemälden, 500 Zeich­nungen und 1000 Skizzen zu ver­walten. Ein Ver­kauf kam nicht infrage, denn der Vater trennte sich zeit­le­bens ungern von seinen liebsten Bil­dern. „Er mochte die leeren Rahmen an den Wänden nicht“, erzählt Raphaele Berglar, Tochter Beckers und selbst Künst­lerin. „Seine Bilder nannte er immer seine Kinder.“ So ent­stand die Idee einer Stif­tung, die Raphaele und ihr Mann Johannes Berglar grün­deten. Als ein helles Gebäude in der Gleueler Straße neben dem Restau­rant Deck­steiner Mühle frei wurde, mie­teten sie dieses an und rich­teten ein Pri­vat­mu­seum ein. Dass dieses Museum ein Her­zens­pro­jekt ist, zeigt sich an der lie­be­vollen Gestal­tung: So ist einer der Räume Inge­borg Becker gewidmet, ein anderer dem Ate­lier Raf­fael Beckers nach­emp­funden.

Ein Werk so viel­seitig wie die Kunst­ge­schichte

Raf­fael Becker ist in der Kunst­ge­schichte kein Unbe­kannter. 1998 wurde er für sein Werk mit dem Rhein­land­taler aus­ge­zeichnet. Sein Beruf war dem 1922 in Köln gebo­renen Becker in die Wiege gelegt worden – schon sein Groß­vater und sein Vater waren Künstler. Benannt nach dem berühmten Renais­sance­maler, machte er zunächst eine Aus­bil­dung als Deko­ra­ti­ons­maler. Nachdem er an der Kunst­aka­demie Düs­sel­dorf sein Stu­dium auf­ge­nommen hatte, wurde er jedoch zum Krieg ein­be­rufen. Als er in das zer­bombte Köln zurück­kehrte, rich­tete er sich ein not­dürf­tiges Ate­lier in seiner elter­li­chen Woh­nung in der Gus­tav­straße in Sülz ein. Da ihm in der NS-Zeit der Zugang zu moderner Kunst ver­wehrt geblieben war, las er jetzt die kubis­ti­schen Theo­rien und futu­ris­ti­schen Mani­feste und sah end­lich seinen ersten Picasso, der ihn nach eigenen Worten „umhaute“.

Die Werke im Museum umfassen meh­rere Schaf­fens­pe­ri­oden. So lässt sich ver­folgen, wie Becker seinen Stil vom Natu­ra­lismus kom­mend wei­ter­ent­wi­ckelte, wie er expe­ri­men­tierte und seine Farb­pa­lette ver­än­derte. Er beherrschte die detail­ver­liebte Malerei eines Otto Dix ebenso wie die kubis­ti­sche Form­zer­le­gung eines George Braque und den freien Pin­sel­strich eines Ernst Ludwig Kirchner. Auch in der Abs­trak­tion ver­suchte er sich zeit­weilig – doch weil er mit seinen Bil­dern Geschichten erzählen wollte, kehrte er als­bald zur figu­ra­tiven Malerei zurück.

Mit Beckers Bil­dern durch die Kölner Stadt­ge­schichte reisen

Seine Motive fand Becker auf der Straße. Er malte die Men­schen in seiner Nach­bar­schaft, den Wirt der Kneipe gegen­über seinem Ate­lier in der Gus­tav­straße, die Fron­leich­nams­pro­zes­sion durch die Palan­ter­straße oder das Rad­rennen am Auer­bach­platz. Das alles mit einem Augen­zwin­kern, aber durchaus gesell­schafts­kri­tisch. Die Ruinen von Köln, die Armut nach Kriegs­ende und das Ter­ror­jahr 1977 stehen dem Kar­neval, dem Kon­sum­rausch und der Trink­freu­dig­keit gegen­über. Und auch über Auf­trags­ar­beiten wie das Dom-Tri­pty­chon, das den Dombau auf amü­sante Weise nach­er­zählt, gibt er span­nende Ein­blicke in die Kölner Stadt­ge­schichte.

Einen typi­schen Becker erkennt man an der leichten Schräg­lage der Figuren und zuweilen an dem „mit­tel­al­ter­li­chen“ Gold­grund, mit dem er die Por­trä­tierten zu irdi­schen Ikonen erhebt. Auch Zei­tungs­aus­schnitte und Rekla­me­schnipsel fügte er nahtlos in die Gemälde ein, die Technik: ein „Fami­li­en­ge­heimnis“. Außerdem fallen die his­to­ri­schen Rahmen ins Auge, die Becker teil­weise selbst restau­rierte. Unseren täg­li­chen Wohl­stand gib uns heute steht da in gol­denen Let­tern auf dem Rahmen eines Werks, das den Konsum zur Zeit des Wirt­schafts­wun­ders zeigt.

Der Clou: Die Geschichten zu den Gemälden werden vom Künstler selbst erzählt

Alle Motive haben eine Hin­ter­grund­ge­schichte, eine per­sön­liche Begeg­nung des Künst­lers oder einen his­to­ri­schen Bezug. Der Clou des Museums ist dabei: Über QR-Codes neben den Gemälden können Audio­auf­nahmen von Becker abge­spielt werden.* Hier erzählt er selbst die komi­schen und tra­gi­schen Anek­doten, die ihn zu seinen Werken inspi­rierten. So bei­spiels­weise von dem Lum­pen­sammler, der unver­hofft 10.000 Mark erbte, nur um an seinem „glück­lichsten Tag“ töd­lich von der Treppe zu stürzen. „Mein Vater war ein Men­schen­freund“, erzählt Raphaele Berglar. „Er wür­digt in seinen Werken auch die­je­nigen, die am Rande der Gesell­schaft stehen.“

Wer jetzt mehr erfahren will, kann per Mail eine kos­ten­lose Füh­rung zum Ein­tritts­preis buchen. Und auch spon­tane Besu­che­rinnen und Besu­cher sind stets will­kommen in Kölns viel­leicht unge­wöhn­lichstem Museum.

*Die Audio­füh­rung ist auch in dem hoch­wer­tigen Kunst­buch Raf­fael Becker: mit­ten­drin ent­halten. Für 49,- im Museum erhält­lich. ISBN: 978–3‑86832–757‑1

Museum Raf­fael Becker
Gleueler Straße 373a
50935 Köln
0221 – 430 09 369
info@museum-raffael-becker.de
www.museum-raffael-becker.de

Öff­nungs­zeiten
Di bis Do: 11–17 Uhr; So: 11–17 Uhr
Ein­tritt: 7,- €, ermä­ßigt: 3,50 €

Anfahrt
Besu­cher­park­plätze vor­handen. ÖPNV: Linie 146, Hal­te­stelle: Deck­stein.
Bar­rie­re­frei­heit: Nur Erd­ge­schoss.

 

www.museum-raffael-becker.de
06.2025 // Redak­tion und Fotos: Museum Raf­fael Becker






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