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Nähe umarmt Abstand: Monika Nonnenmacher zeigt Fotoprojekt „Systemrelevant! Systemrelevant?“ im Atelier SAXA
Wie die Covid-Pandemie beginnt auch die aktuelle Ausstellung von Fotografin Monika Nonnenmacher im Ehrenfelder Atelier SAXA mit einer Trennung. Waren es vor mehr als fünf Jahren die Menschen, die isoliert wurden, ist es nun die Begrifflichkeit, die in ihren Silben (trenngerecht) veranschaulicht wird: sys/tem/re/le/vant. Das Eigenschaftswort bezieht sich auf Institutionen oder Tätigkeiten, die für den Fortbestand eines Gesellschaftssystems vermeintlich unverzichtbar sind.
Dialoge über die Stunde(n) Null
Von April 2020 bis März 2021 porträtierte Nonnenmacher 46 Personen und ließ neben der Stille der festgehaltenen Augenblicke auch die Gedanken in Form von Zitaten zu Wort kommen. In ästhetischen analogen Schwarz-Weiß-Aufnahmen laden Gastronomen, Musiker, Tanzlehrerinnen, Geschäftsführerinnen, Postzusteller, Krankenschwestern, Lehrer, Sexarbeiterinnen oder Busfahrer zu einem Dialog über die Stunden nach der Stunde Null ein, die sowohl Stillstand als auch Neuorientierung für den Weltenlauf markierten. Trotz der angespannten Situation atmen die Bilder in einer Atmosphäre der inneren Ruhe. Der Fotografin gelang es zudem, die Authentizität der Persönlichkeiten einzufangen. Hier wirkt nichts gestellt. Die Bilddokumentation wirkt eher wie ein zufälliges Treffen von Bekannten auf der Straße, die sich über Auswirkungen eines seinerzeit noch unbekannten Virus, aber auch über Hoffnungen zur Überwindung der Krise austauschen. Doch eine weitere (unsichtbare) Trennung ist im Rundgang durch die einladenden hellen Räumlichkeiten der Kunststätte inklusive: Wer gehörte denn nun zu den Privilegierten unter den Isolierten – und wer nicht? Die chronologische Darstellung gibt darauf Antworten für jene, die sich Zeit nehmen.
Sehnsucht nach dem Ich und Wir
„Was fehlt, ist der Klang. Das ist meine Nahrung, die Nahrung meines Lebens“, erklärt etwa Musiker, Geiger und Komponist Takashi B. mit fragendem, leicht zweifelndem Blick in einer sehens- wie fühlenswerten Galerie, die dazu auffordert, Distanzen zu überwinden und Abstände, gerade in schwierigen Lebensphasen, zu umarmen. Die Sichtbarmachung unmittelbarer Gemütszustände nach einer halben Dekade stellt ein perfektes Timing dar: Sie kommt in der Ära der täglichen Katastrophen gerade richtig, um dem Vergessen entgegenzuwirken. Die leider nur wenige Tage aufgestellten „Spiegel“ reflektieren dabei sowohl die Sehnsucht nach einem auflösenden Ich als auch nach dem mehr als notwendigen Wir.
„Systemrelevant! Systemrelevant?
Ein Porträtprojekt zu Covid-19“, Monika Nonnenmacher,
bis 15. September, Atelier SAXA, Sömmeringstraße 24, 50823 Köln,
Öffnungszeiten: Freitag 18 bis 21 Uhr, Samstag/Sonntag 15 bis 18 Uhr
09.2025 // Redaktion: Thomas Dahl, Foto: Ralf Martens